Eine Reise in Farbe & Licht

Wir reisen in fremde Städte, um sie uns vertraut zu machen; wir nehmen fremde Bilder auf, um unsere inneren erscheinen zu lassen. – Reisebilder bereichern seit Jahrhunderten die Kunst. Besonders berühmte Stätte, in eigener künstlerischer Sicht präsentiert, besitzen den Reiz des Neuen, Fremden, Begehrlichen sowie des Bekannten und Vertrauten.
Reza Momen, ausgebildet in Malerei und Architektur an der Kunstakademie Marmara, widmet sich diesem Sujet seit zehn Jahren. Er malt Bilderserien, die das Motiv von Menschenmengen in Städten variieren. Der Katalog zeigt Arbeiten der Jahre 2011 – 2021 als Höhepunkt jener Schaffensphase. Ausgangspunkt der Bilder ist immer die Reise vor Ort, an den Ort des Geschehens, den der Künstler visuell und stimmungs- voll auf sich wirken lässt. Oft macht er Skizzen zur ersten Bildfindung, jedoch interessieren ihn nicht analyti- sche Details, sondern der Gesamteindruck: das Panorama eines Stadtbildes, eines belebten Platzes oder einer Bootsszene in Venedig. Einzelheiten schwinden im Laufe der Erinnerung, werden überführt in einzelne Impulse, Farbakzente. Farben, teils skizzenhaft und leicht wie in der Aquarelltechnik auf die Leinwand gehaucht – teils massiv und dicht neue Schichten bildend, sind sein Medium, das Gesehenes und Erinnertes, Empfundenes und Erlebtes im Bildentwurf zum Einklang bringt. Reiseerlebnisse, in sich aufgenommene Reisebilder sind Basis der Bild- entwürfe, die Momen über Jahre – meist an mehreren Werken zugleich malend – gestaltet. Farbschichten bilden Erinnerungsschichten ab; Verdichtungen, Betonungen, Übermalungen bilden ein komplexes Ganzes. Die Komposition ist klassisch, gibt den vielen Farbelementen besonders im Vorder- und Mittelgrund Halt und Gestalt.
Paris at night von 2011 zeigt eine nächtliche Straßenszene, die sich kaum vom Großstadtleben tagsüber unterscheidet. Das Licht mit seinen Reflexen und Spiegelungen scheint im Kontrast zur Dunkelheit noch verstärkt. Straßenlaternen führen zentral in die erleuchtete Bildtiefe, sich bewegende Figuren tauchen schemenhaft auf. Der horizontale Bildaufbau bewirkt einen Ausgleich zur Dynamik des Geschehens, zur Komplementärspannung gelb-oranger Licht- und Farbimpulse auf violett-blauem Grund, zu den nur angedeu- teten Formen und Konturen. Auch die Serie der Venezia-Bilder präsentiert viel besuchte Orte, die im Vergleich zur Nachtszene heller und ruhiger sind. Gerade Venedigs eigentümliche Atmosphäre schafft eine Synthese von Licht und Farbe, Luft und Wasser – übersetzt in flüchtig gesetzte Figuren und Akzente, die in unserer Vorstellung ihre vollkommene Gestalt entwickeln.

© Dr. Marina Linares, Kunsthistorikern